Liebe Stonerinnen und Stoner, liebe Freundinnen und Freunde unserer Homepage,
bei laufender ROLLING STONES-SIXTY-EUROPA-TOUR 2022 (https://www.stones-club-aachen.com/category/60-stones-jubilaeumstour-2022-23/) erfolgt eine weltweite Berichterstattung über die allergrößte, allerbeste und dienstälteste Rockband aller Zeiten und des Universums, da ein 60-jähriges Jubiläum noch lange kein alltägliches Ereignis ist.
Hier das exemplarische Beispiel eines bekannten Magazins und eines Redakteuers und exzellenten ROLLING STONES-KENNER, kein anderer als Martin Scholz (https://www.welt.de/autor/martin-scholz/):
ICONIST
„Mick und ich sind wie Brüder – aber wir sind keine Freunde“
Von Martin Scholz
Redakteur Titelthema Welt am Sonntag
Anmerkung des Stones-Club-Managers: Das Video kann durch den Klick auf den Link am Ende des Beitrags direkt auf der Homepage von WELT aufgerufen werden.
In München mussten die Zuschauer ein wenig Geduld beweisen. Aufgrund von starken Regenfällen wurde der Auftritt der Rolling Stones verschoben. Doch dann stand einem weiteren Auftritt auf ihrer Europa-Tournee zum 60. Bandjubiläum nichts mehr im Wege.
Quelle: WELT Autoplay
Die Rolling Stones werden 60 Jahre alt, gehen auf Tournee. Unser Autor hat Mick Jagger und Keith Richards viele Male getroffen – und hatte immer Respekt davor, denn mit Journalisten gehen sie nicht gerade zimperlich um. Hommage an zwei wilde Empfindsame.
Früher hat er sich öfter auf der Bühne übergeben. Vor Erschöpfung. Keith Richards hat das ausführlich beschrieben, in seiner Autobiografie „Life“. Als ich ihn 2010 in einem Interview darauf anspreche, passiert das, was oft passiert, wenn man diesen vielleicht größten Überlebenskünstler des Rock’n’Roll mit einer schrillen Anekdote aus seinem an schrillen Momenten nicht gerade armen Leben konfrontiert: Die Geschichte wird noch ein bisschen schriller. „Diese Band besteht aus sehr robusten Typen. Ab und zu mal kotzen während eines Konzerts – das ist keine große Sache“, sagt der Gitarrist der Rolling Stones und hält dabei ein Glas Hochprozentiges hoch, die Eiswürfel darin klackern gegen das Glas. Dann gibt er noch einen wichtigen Hinweis: „Man sollte nur darauf achten, dass man sich stets HINTER den Verstärkern übergibt, wo es niemand sieht. Wer kotzt schon gern vor 80.000 Zuschauern die Bühne voll.“
US-Präsident Bill Clinton hat diese besondere Form der Robustheit mal in einer Laudatio gewürdigt, als er sagte, außer Kakerlaken sei Keith Richards die einzige Lebensform, die einen Atomkrieg überleben würde. Das war als Kompliment gemeint. Richards hat es auch so verstanden, er saß bei der Rede im Zuschauerraum.
Richards ist inzwischen 78, und robust sind die Rolling Stones noch immer. Sie feiern ihr 60-jähriges Bestehen mit einer Europa-Tournee, die sie Anfang Juni ins Münchner Olympiastadion führt. Am 12. Juli 1962 hatten sie ihren ersten Auftritt im Londoner Marquee Club. Da war ich noch gar nicht geboren. Als die Stones 1982 20 Jahre alt wurden, war ich 18, konnte aber nicht zu ihren Konzerten, weil die Tickets einfach zu teuer waren. Meine sehr große Befürchtung war damals, dass ich die Rolling Stones, die neben den Beatles für den Urknall des Rock ’n’ Roll verantwortlich waren, nie live würde sehen können. Denn schon damals glaubten alle, die 82er-Konzerte seien bestimmt ihre letzten. Jagger hatte bereits 1975 gesagt, da war er 32, er wäre lieber tot, als mit 45 noch „Satisfaction“ zu singen. Inzwischen ist die Band wie ein Mammutbaum, hat so viele Jahresringe bekommen, wie das nie jemand für möglich gehalten hätte.
Martin Scholz (r.) im Gespräch mit Keith Richards, 1988 in München Quelle: Martin Scholz/WELT
1988 habe ich Keith Richards erstmals in München interviewt. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Gespräche dazu, mit ihm, Mick Jagger, Ron Wood und Charlie Watts. Älter werden mit den Stones. Gespräche mit Jagger und Richards waren nie „business as usual“. Es schien mir immer so, als hätte ich es nach vielen Mühen wieder mal ins Finale der Champions League geschafft. Die Anspannung war jedes Mal groß – auf keinen Fall wollte man so ein Gespräch an die Wand fahren.
Dass Richards mich schon mal mit einem Glas Whiskey in der Hand und einem „Hey Buddy“ empfing, war nur ein Ritual. Das konnte mich nie wirklich beruhigen, weil ich immer all die Horrorgeschichten im Kopf hatte, wie jene von dem schwedischen Journalisten, dem er 2010 eine Kopfnuss verpasste und ihn mit den Worten „Sei froh, dass du hier lebend rauskommst“ aus dem Zimmer scheuchte. Oder dass er Aschenbecher zu Wurfgeschossen umfunktionierte. So gesehen hatte ich immer Glück. Am Ende unserer Gespräche war der Aschenbecher nur mit sehr vielen ausgedrückten Zigaretten gefüllt. Inzwischen ist Richards tugendhafter geworden, soll sogar mit dem Rauchen aufgehört haben.
Die Interviews mit Jagger waren Schlagabtausche, bei denen er oft in die Rolle des Fragestellers wechselte, mehr wissen wollte beispielsweise über die fremdenfeindlichen Anschläge in Mölln und Rostock-Lichtenhagen Anfang der 90er, rechtsradikale deutsche Rockbands oder was von dem grünen Außenminister Joschka Fischer zu erwarten sei.
Jagger und Richards sind wie Feuer und Wasser
Das Narrativ über die Rolling Stones hat sich in den letzten Jahren verändert. Heute geht es weniger darum, wie diese englischen Mittelschichtjungs Anfang der 60er schwarzen amerikanischen Blues erst nachgespielt und dann erweitert haben, bis am Ende der wilde Sound von Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll dabei herauskam. Heute sind wir deshalb so fasziniert von ihnen, weil wir ihnen seit Jahrzehnten beim Älterwerden zuschauen, weil es scheint, als würden sie unsere Vorstellung von Zeit transzendieren.
Jagger und Richards waren seit den Anfängen nicht nur die Haupt-Songschreiber der Band, die mit „Street Fighting Man“ oder „Jumpin’ Jack Flash“ Lieder für die Ewigkeit schufen. Sie waren auch immer wie Feuer und Wasser. Zwei, die sich ergänzten, sich aber oft niedermachten. Mitte der 80er wären die Stones fast zerbrochen, weil Jagger die Band allen Ernstes in „Mick Jagger and the Rolling Stones“ umbenennen wollte. Als ich beide 1990 im Rahmen von Tourneeproben in einer Kneipe in der Normandie treffe, hatten sie sich kurz zuvor für eine Welttournee versöhnt. Das Interview gaben sie dennoch einzeln. Die Gespräche waren wie getrennte Paartherapie. Richards über Jagger: „Mick und ich sind wie Brüder – aber wir sind keine Freunde. Manchmal kracht’s halt.“ Immerhin: Der Burgfrieden zwischen den beiden hat seitdem 32 Jahre gehalten.
Ein Ereignis, das Richards und Jagger über die Jahre hinweg beschäftigt hat, war der Mauerfall 1989. Unmittelbar danach, im Mai 1990, sprach der Sänger euphorisch von einer Zeitenwende, Richards schwärmte: „Ihr Deutschen wachst wieder zusammen, bekommt Preußen zurück.“ Im August 1990 spielten die Stones erstmals in Prag. Václav Havel, der Dichter und Dissident, der Präsident geworden war, empfing sie wie Staatsgäste. „Wenn ich jemand wie Havel sehe, bereue ich es, nicht Politiker geworden zu sein“, sagte Jagger. Richards erzählte von den Schlagzeilen, mit denen die Band in Prag empfangen wurde: „,Russian Tanks out, Rolling Stones in‘ – die Zeitungsartikel habe ich ausgeschnitten, sie hängen bei mir zu Hause an der Wand.“
An ein Bekenntnis aus einem unserer frühen Interviews hat sich der Gitarrist nicht gehalten. Zum Glück. Auf die Frage, was zu einem Ende der Stones führen könnte, antwortete er 1992: „Wenn Charlie Watts sagt: ,Mir reicht’s‘, würde ich wohl sagen: ‚Ich muss das Kapitel der Stones beenden.‘“ Watts starb 2021, die Band machte mit dem Schlagzeuger Steve Jordan weiter, mit dem Richards seit Mitte der 80er befreundet ist. Hat er selbst Angst vor dem Tod? „Angst?“, sagte er, „kenne ich nicht.“
Die Rolling Stones spielen am 5. Juni in München, am 27. Juli in Gelsenkirchen. Martin Scholz’ Interviewbuch „Rocking and Rolling“ mit den Stones und Wegbegleitern, z.B. Tina Turner ist bei Kampa erschienen.